Die Länge der fadenförmigen Bakterien korreliert mit dem Schlammvolumenindex (SVI), und damit direkt mit dem Absetzverhalten des Belebtschlamms. Der von uns ermittelte ismTEFL kann als Frühwarnindikator für die Verschlechterung des Absetzverhaltens und die Bildung von Blähschlamm verwendet werden.
In der Praxis werden häufig Fällungsmittel (z.B. Polyammoniumchlorid (PAC)) eingesetzt, um Blähschlamm zu verhindern [1]. Diese Fällungsmittel werden zu Flockung eingesetzt, um das Absetzverhalten zu verbessern und spezifische Arten (z.B. Microthrix parvicella) an fadenförmigen Bakterien zu bekämpfen.
Als gängiger, leicht messbarer Parameter verwenden Anlagenbetreiber in erster Linie den SVI, um Aussagen über den Zustand der Fadenbakterien und damit über die Notwendigkeit des Einsatzes von Fällungsmitteln zu treffen [2]. Auch Erfahrungswerte werden häufig als Entscheidungsfaktor berücksichtigt – der Anstieg der Fadenbakterienpopulation ist häufig ein jahreszeitabhängiges Phänomen.
Ein hoher SVI bedeutet jedoch nicht zwangsläufig einen hohen Gehalt an Fadenbakterien [3]. Entscheidungen, die ausschließlich auf dem SVI basieren, können daher zu suboptimalen Strategien führen [4]. Die Analyse der Fadenbakterien selbst liefert ein viel genaueres Bild der Situation im Belebtschlamm [5, 6].
Die Grundlage dieser Fallstudie ist daher, die Steuerung der Fällmittelzugabe auf Basis der Gesamtlänge der Fadenbakterien, und nicht auf Basis des SVI zu beurteilen um so den unnötigen Einsatz an Fällmitteln zu vermeiden.
SVI Steuerung 2024

Die Abbildung zeigt neben SVI und ismTEFL auch die täglich zugegebene Menge an Polyammoniumchlorid. Im Jahr 2024 wurde das ismTEFL-Messsignal nicht zur Steuerung der Fällungsmittel-Dosierung verwendet. Basierend auf Erfahrungswerten wurde angenommen, dass die Population filamentöser Bakterien im Frühjahr zunimmt. In der Vergangenheit traten zu dieser Zeit häufiger Betriebsprobleme durch Blähschlamm auf. Die Anlagenleitung verwendete daher zu Beginn des Jahres eine höhere Dosierung und reduzierte diese dann bis Mai schrittweise. Insgesamt wurden vom 01.01.24 bis zum 27.04.2024 37.915 Liter PAC dem Belebtschlamm zugesetzt.
ismTEFL Steuerung 2025

2025 wurde der ismTEFL aktiv zur Dosierung der Fällmittelzugabe verwendet. Wie im Vorjahr kam es Ende Januar zu einem deutlichen Anstieg der filamentösen Bakterien. Am 16. März kommt es zu einem starken Rückgang des SVI von 368 ml/g auf 165 ml/g. Dieser Rückgang erfolgte zeitgleich mit der Erhöhung der PAC-Fällungsmittel-Dosierung von 263,7 l/d auf 359 l/d. Die Flockungswirkung des Fällungsmittels zeigt, dass sich das Absetzverhalten des Schlamms direkt auf eine Erhöhung des PAC-Gehalts reagiert.
Die Menge des zugesetzten Fällungsmittels wurde zunächst als direkte Reaktion auf den steigenden ismTEFL erhöht und anschließend von Mitte März bis Mitte April schrittweise reduziert. Während dieser Zeit wurde der ismTEFL als Referenzparameter von den Anlagenbetreibern herangezogen, um sicherzustellen, dass die Population der Fadenbakterien während der Reduzierung weiter abnahm. Im Zeitraum vom 01.01.2025 bis zum 27.04.2025 wurden 31.811 Liter PAC zugegeben, die Fällmittelzugabe ab Mai komplett abgeschaltet.
Methodenvergleich

Im Jahr 2024 wurden keine operativen Kontrollen auf Basis des ismTEFL-Signals durchgeführt. Durch den Nachweis der starken Korrelation und der Frühwarnfähigkeit unserer Methode wurde die Zugabe des Fällmittels im Jahr 2025 auf Basis des ismTEFL-Signals angepasst. Die Ergebnisse dieser Kontrolle sind in den Populationsentwicklungen sichtbar. In beiden Jahren beginnt das Wachstum der fadenförmigen Bakterien Mitte Januar. Während 2024 – ohne direkten Eingriff – das Maximum Ende April bei 22*10² Px/Img liegt, wird der Höchstwert 2025 bereits Mitte März bei 13*10² Px/Img erreicht. Das Ausgangsniveau wurde 2024 erst Anfang Juni erreicht, 2025 jedoch bereits Mitte April. Die ISM-gesteuerte Regelung hat mehrere positive Auswirkungen:
- Der SVI sinkt früher und bleibt daher auf einem insgesamt niedrigeren Niveau. Das bedeutet, dass das Absetzverhalten des Schlamms besser ist. Dies verbessert sowohl die Trennung des behandelten Abwassers vom Belebtschlamm als auch die Verwertbarkeit des Schlamms. Außerdem wird das Risiko von Betriebsstörungen durch Blähschlamm deutlich verringert.
- Es wird weniger Fällungsmittel benötigt, um die Fadenbakterien zu bekämpfen. Durch einen besseren Zeitpunkt der Zugabe kann die Gesamtmenge der zugesetzten Fällungsmittel reduziert werden. Dadurch konnten in den ersten 4 Monaten 2025 bereits mehr als 6.000 Liter Fällmittel im Vergleich zum Vorjahr eingespart werden. Dies senkt nicht nur die Kosten, sondern reduziert auch die chemische Belastung des biologischen Prozesses.
Quellen
[1] C. Eichholz, M. Barjenbruch, C.-G. Bannick, P. Hartwig, A Study on the Situation and Learnings of the Precipitant Shortage in the German Wastewater Sector, Resources 13 (2024) 1. https://doi.org/10.3390/resources13010001
[2] Kõrgmaa, V., Tenno, T., Gross, M., Kriipsalu, M., Kivirüüt, A., Tamm, P., Värk, V., Karabelnik, K., Terase, H., Kuusik, S., Leisk, Ü., Sinikas, N., Pitk, P., Tõnisberg, E. & Maastik, A. Evaluation of Treatment Efficiency of Wastewater Treatment Plants, Constructed and Reconstructed in 2004–2014, Using Grants by the EU and Estonian Environmental Investment Centre. Report 4-1.1/14/90, Estonian Ministry of Environment, Tallinn, Estonia (in Estonian),
[3] A.L. Amaral, D.P. Mesquita, E.C. Ferreira, Automatic identification of activated sludge disturbances and assessment of operational parameters, Chemosphere 91 (2013) 705–710. https://doi.org/10.1016/j.chemosphere.2012.12.066.
[4]V. Kõrgmaa, M. Kriipsalu, T. Tenno, E. Lember, A. Kuusik, V. Lemmiksoo, K. Pachel, A. Iital, Factors affecting SVI in small scale WWTPs, Water Sci. Technol. 79 (2019) 1766–1776. https://doi.org/10.2166/wst.2019.177.
[5] J. Liao, I. Lou, F.L. de los Reyes, Relationship of species-specific filament levels to filamentous bulking in activated sludge, Appl. Environ. Microbiol. 70 (2004) 2420–2428. https://doi.org/10.1128/AEM.70.4.2420-2428.2004.
[6] Y. Qiu, T. Hug, D.S. Wágner, B.F. Smets, B. Valverde-Pérez, B.G. Plósz, Dynamic calibration of a new secondary settler model using Cand. Microthrix as a predictor of settling velocity, Water Res. 246 (2023) 120664. https://doi.org/10.1016/j.watres.2023.120664.